Martyn, als Produzent und Studiobesitzer bist du ein Soundfetischist. Bei den Hörern musst du wohl von durchschnittlichen Wiedergabemöglichkeiten ausgehen, aber vielleicht kannst du eine Empfehlung geben, in welcher Situation man dein Debütalbum „Electric Intervals“ am besten anhören sollte.
Martyn Heyne: Am liebsten wäre es mir, wenn man das Album hört, ohne etwas anderes zu machen. Gerade bei instrumentaler Musik hat man ja vielleicht oft das Gefühl, dass man eigentlich nicht hinhören muss. Dabei ist das ja gerade Musik, die besonders viel erzählen kann. Wenn man die Musik mit einer ähnlichen Aufmerksamkeit wie beim Linksabbiegen hört und nebenbei vielleicht nicht noch Chips isst, dann kann man darin schon andere Dinge erfahren, als wenn man einfach nur den Klang hört. Man sollte es als Anfang einer Geschichte begreifen. Auf emotionaler Weise kann man das nachvollziehen, was der Musiker macht, und dann tut sich da in einem Bereich, der nicht konkret ist und keinen Text hat, eine Geschichte auf.
Beleidigt es dich dann, wenn deine sehr reduzierten Kompositionen für Gitarre auf mich einen meditativen Effekt haben und ich sehr schnell in meinem eigenen Film ankomme?
Heyne: Meditatives Wegdriften als Zustand beim Musikhören kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Entweder finde ich Musik interessant genug, um ihr zu folgen, oder mir wird ganz konkret langweilig. Aber den Grund, warum ich beim Musikmachen irgendwelche Wege einschlage, den weiß ich ja auch nicht. Der ist für mich emotional. Ich spiele ja nicht diese Melodie oder diesen Akkord, um dir etwas ganz Konkretes zu sagen. Was ich sagen will, weiß ich auch nicht. Ich fühle das einfach nur, aber wenn du aufmerksam bist und es funktioniert, dann fühlst du vielleicht nicht mal unbedingt dasselbe, aber du fühlst etwas. Und das kannst du dann natürlich auch mit etwas anderem in deinem Leben in Verbindung bringen. Super, wenn da Bilder und Assoziationen entstehen.
Du hast schon als kleines Kind mit Gitarre und Klavier angefangen, um dann später am Amsterdamer Konservatorium und in Irland Musik zu studieren. Gab es einen konkreten Moment, in dem du gemerkt hast, dass du die Gitarre spannender als das Klavier findest?
Heyne: Ehrlich gesagt habe ich mich immer nur als Gitarrist gesehen – und Klavier spielen ja eigentlich eh alle. Im Musikstudium muss man ja immer sein Instrument spielen und nebenbei auch Klavier. Einerseits ist das ein Instrument, das man spielen kann, ohne eine gewisse Technik zu entwickeln, wie etwa bei einer Trompete oder einer Geige. Andererseits versteht man damit auch leicht die Zusammenhänge von Musik insgesamt.
Als du dann nach Berlin gezogen bist, hast du dir in einer Wohnung gleich neben dem stillgelegten Flughafen Tempelhof dein Studio eingerichtet, und weil die Räume wegen des Fluglärms so isoliert sind, dass jegliches Geräusch von außen abgeschirmt wird, haben die Lichte Studios einen Ruf, der auch schon Musiker wie The National, Nils Frahm und Lubomyr Melnyk für Aufnahmen angezogen hat.
Heyne: Eigentlich war das nur gedacht, um meine eigene Musik zu produzieren, aber dann konnte ich oft bei Freunden helfen, etwas für sie mischen oder aufnehmen. Darüber hat es sich dann graduell entwickelt, dass auch mal andere Leute gefragt haben, die ich nicht kannte. Trotzdem ist es hauptsächlich immer noch der Raum, in dem ich meine private Arbeit mache. Die anderen Projekte laufen nebenher, und ich versuche da auch viel Input reinzugeben, aber meist betrifft es nur Teilprojekte einer Produktion.
Dann sind diese Dienstleistungen dafür verantwortlich, dass „Electric Intervals“ nun relativ spät erscheint?
Heyne: Na ja, ich habe auch ziemlich lange bei Efterklang in der Liveband gespielt, und das ist ja schon ein Vollzeitjob. Nachdem ich damit 2014 aufgehört habe, ging es eigentlich erst los, dass ich ein bisschen konzentrierter geschaut habe, was ich denn nun eigentlich selber machen möchte, und im letzten Jahr gab es ja auch schon eine EP. Ich habe nicht mit Anfang 20 angefangen, Platten zu machen – was auch ganz gut so ist, denn es gab unterwegs dann doch viel zu lernen.
Interview: Carsten Schrader
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